Das Wichtigste im Überblick
- Ein Abwicklungsvertrag ist bindend und kann nur in Ausnahmefällen widerrufen werden – prüfen Sie daher alle Bedingungen sorgfältig vor der Unterzeichnung
- Häufig sind die ersten Angebote der Arbeitgeber nicht optimal – Nachverhandlungen können zu deutlich besseren Konditionen führen
- Bei Abfindungen, Fristen und Zeugnisinhalten sollten Sie besonders aufmerksam sein, da hier oft Verbesserungspotenzial besteht
Einleitung: Warum die Entscheidung über einen Abwicklungsvertrag so wichtig ist
Der Abwicklungsvertrag ist ein häufiges Instrument bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Viele Arbeitnehmer stehen vor der Frage, ob sie das vorgelegte Angebot annehmen oder ablehnen sollen. Die Entscheidung, einen Abwicklungsvertrag nicht zu unterschreiben, kann durchaus sinnvoll sein und sollte gut durchdacht werden.
Ein Abwicklungsvertrag regelt die Modalitäten der Arbeitsplatzauflösung nach bereits erfolgter Kündigung. Im Gegensatz zum Aufhebungsvertrag setzt er eine bereits ausgesprochene Kündigung voraus. Dennoch haben beide Vertragsarten gemeinsam, dass sie nach der Unterschrift nur schwer rückgängig zu machen sind.
Die Relevanz dieser Thematik zeigt sich in der täglichen Beratungspraxis. Viele Arbeitnehmer unterschreiben vorschnell und bereuen später ihre Entscheidung, da sie sich nicht ausreichend über ihre Rechte und Möglichkeiten informiert haben.
Rechtliche Grundlagen des Abwicklungsvertrags
Der Abwicklungsvertrag ist im deutschen Arbeitsrecht nicht explizit geregelt und beruht auf allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen. Die zugrundeliegende Kündigung hingegen unterliegt den Schutzbestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG); der Abwicklungsvertrag regelt lediglich Modalitäten der Beendigung.
Ein wesentlicher Unterschied zum Aufhebungsvertrag besteht darin, dass der Abwicklungsvertrag erst nach bereits erfolgter Kündigung geschlossen wird. Er regelt die Abwicklung des bereits gekündigten Arbeitsverhältnisses und kann beispielsweise Abfindungszahlungen, Freistellungen oder die Modalitäten der Arbeitsplatzräumung beinhalten.
Für echte Abwicklungsverträge besteht grundsätzlich kein Schriftformerfordernis nach § 623 BGB, da sie das Arbeitsverhältnis nicht selbst beenden. Nur wenn der Vertrag das Recht zur vorzeitigen Beendigung oder eine vergleichbare Erklärung beinhaltet, ist die Schriftform gemäß § 623 BGB zwingend. In der Praxis werden Abwicklungsverträge häufig schriftlich abgeschlossen, wobei die Schriftform nach § 623 BGB nur dann zwingend ist, wenn der Vertrag selbst die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirkt (unechter Abwicklungsvertrag).
Grundsätzlich können Abwicklungsverträge nicht ohne weiteres widerrufen werden. Anders als bei Verbraucherverträgen existiert hier kein gesetzliches Widerrufsrecht. Eine Anfechtung des Abwicklungsvertrags kann nur nach den gesetzlichen Vorschriften (§§ 119, 123 BGB) erfolgen, etwa bei Irrtum über den Vertragsinhalt, arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung.
Gründe gegen die Unterzeichnung eines Abwicklungsvertrags
Unzureichende Abfindungshöhe
Einer der häufigsten Gründe, einen Abwicklungsvertrag nicht zu unterschreiben, ist eine zu niedrige Abfindung. Arbeitgeber bieten oft eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr an. Diese Höhe entspricht dem in § 1a KSchG geregelten gesetzlichen Anspruch, sofern der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung nach dieser Vorschrift eine Abfindung anbietet und der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhebt.
In vielen Fällen sind deutlich höhere Abfindungen durchsetzbar, insbesondere wenn die Kündigung rechtlich angreifbar ist oder der Arbeitgeber ein starkes Interesse an einer einvernehmlichen Lösung hat. Bei langjährig beschäftigten Arbeitnehmern oder in leitenden Positionen können Abfindungen von einem ganzen Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr oder sogar mehr realistisch sein.
Problematische Fristen und Zeitpläne
Abwicklungsverträge enthalten häufig sehr kurze Bedenkzeiten oder Fristen für die Annahme des Angebots. Arbeitgeber setzen Arbeitnehmer bewusst unter Zeitdruck, um Nachverhandlungen zu vermeiden. Eine gründliche Prüfung der Vertragsbedingungen ist jedoch essentiell.
Ebenso problematisch können unrealistische Übergabefristen oder zu kurze Räumungszeiten sein. Arbeitnehmer sollten ausreichend Zeit haben, ihre Aufgaben ordnungsgemäß zu übergeben und persönliche Gegenstände zu sammeln.
Mangelhafte Zeugnisregelungen
Viele Abwicklungsverträge enthalten nur oberflächliche Regelungen zum Arbeitszeugnis. Häufig wird lediglich vereinbart, dass ein “wohlwollendes” Zeugnis erteilt wird, ohne konkrete Formulierungen festzulegen. Da das Arbeitszeugnis für die berufliche Zukunft entscheidend ist, sollten hier präzise Absprachen getroffen werden. Das Zeugnis sollte eindeutig und rechtssicher vereinbart werden. Es ist allerdings keine ausreichende Kompensation für einen Klageverzicht im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Unklare Regelungen zu Sonderzahlungen
Oftmals bleiben Ansprüche auf Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder andere Sonderzahlungen ungeklärt. Auch die anteilige Auszahlung für das laufende Jahr wird häufig nicht ausreichend geregelt. Diese Punkte sollten explizit im Vertrag aufgeführt werden.
Nachteilige Verschwiegenheitsklauseln
Manche Abwicklungsverträge enthalten übermäßig weitreichende Verschwiegenheitsklauseln, die über das übliche Maß hinausgehen. Diese können die berufliche Entwicklung behindern oder unrechtmäßig in die Meinungsfreiheit eingreifen.
Alternative Handlungsmöglichkeiten
Kündigungsschutzklage prüfen
Bevor ein Abwicklungsvertrag unterschrieben wird, sollte geprüft werden, ob die zugrundeliegende Kündigung rechtmäßig ist. Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Diese Frist ist unbedingt zu beachten.
Eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage kann zur Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und somit zur Weiterbeschäftigung oder zu einer höheren Abfindung führen. Selbst bei geringen Erfolgsaussichten kann die Klage als Verhandlungsmittel für bessere Abwicklungskonditionen dienen.
Nachverhandlungen führen
Statt den vorgelegten Abwicklungsvertrag sofort zu unterschreiben oder abzulehnen, können Nachverhandlungen geführt werden. Häufig sind Arbeitgeber durchaus bereit, Verbesserungen anzubieten, wenn konkrete Gegenvorschläge unterbreitet werden.
Typische Verhandlungspunkte sind:
- Höhe der Abfindung
- Verlängerung der Kündigungsfristen
- Übernahme von Bewerbungskosten
- Positive Referenzen
- Regelungen zum Dienstwagen oder anderen Benefits
Arbeitslosengeld und Sperrzeit berücksichtigen
Ein wichtiger Aspekt bei der Entscheidung ist die mögliche Verhängung einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Während eine Kündigung durch den Arbeitgeber häufig keine Sperrzeit auslöst, kann diese dennoch verhängt werden, wenn dem Arbeitnehmer ein versicherungswidriges Verhalten nach § 159 SGB III vorgeworfen wird. Bei Abwicklungsverträgen prüft die Bundesagentur für Arbeit besonders genau, ob der Arbeitnehmer die Arbeitslosigkeit mitverursacht hat.
Ob eine Sperrzeit verhängt wird, hängt insbesondere davon ab, ob die Kündigung durch den Arbeitgeber ausgesprochen wurde, die Abfindung nicht höher als nach § 1a KSchG ist und die maßgebliche Kündigungsfrist eingehalten wurde. Ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses kann vorliegen und damit die Sperrzeit entfallen.
Praktische Tipps für Betroffene
Bedenkzeit einfordern
Lassen Sie sich niemals unter Zeitdruck setzen. Fordern Sie eine angemessene Bedenkzeit von mindestens einer Woche ein. Seriöse Arbeitgeber werden diesem Wunsch entsprechen.
Vollständige Dokumentation
Sammeln Sie alle relevanten Unterlagen: Arbeitsvertrag, Kündigungsschreiben, Gehaltsabrechnungen und sonstige Vereinbarungen. Diese sind für die Bewertung des Angebots essentiell.
Rechtliche Beratung einholen
Die Komplexität des Arbeitsrechts macht eine fachkundige Beratung oft unverzichtbar. Viele Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten für eine erste Einschätzung.
Alle Ansprüche prüfen
Erstellen Sie eine Checkliste aller möglichen Ansprüche:
- Noch nicht genommener Urlaub
- Überstunden
- Sonderzahlungen
- Provisionen oder Bonuszahlungen
- Betriebliche Altersversorgung
Steuerliche Auswirkungen bedenken
Abfindungen unterliegen der Einkommensteuer, können jedoch nach den §§ 24, 34 EStG unter bestimmten Voraussetzungen nach der Fünftelungsregel begünstigt besteuert werden. Bei höheren Beträgen sollte eine steuerliche Beratung erfolgen.
Checkliste: Abwicklungsvertrag prüfen
Finanzielle Aspekte
- Ist die Abfindungshöhe angemessen?
- Werden alle Gehaltsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses erfüllt?
- Sind Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld) berücksichtigt?
- Wird der Resturlaub korrekt abgegolten?
- Sind Überstunden erfasst und vergütet?
Zeitliche Regelungen
- Ist die Kündigungsfrist korrekt berechnet?
- Sind die Fristen für die Übergabe realistisch?
- Gibt es eine angemessene Bedenkzeit?
- Sind Fristen für die Abfindungsauszahlung festgelegt?
Arbeitszeugnis
- Ist die Note des Zeugnisses vereinbart?
- Sind problematische Formulierungen ausgeschlossen?
- Ist geregelt, wer das Zeugnis unterzeichnet?
- Gibt es Vereinbarungen zu Referenzen?
Sonstige Regelungen
- Werden Verschwiegenheitspflichten angemessen geregelt?
- Ist der Umgang mit Firmeneigentum geklärt?
- Sind Wettbewerbsverbote verhältnismäßig?
- Werden Sozialversicherungsaspekte berücksichtigt?
Wenn Sie Zweifel an einzelnen Punkten haben, sollten Sie den Vertrag nicht vorschnell unterschreiben. Eine professionelle Einschätzung kann Ihnen helfen, die bestmögliche Lösung für Ihre Situation zu finden.
Häufig gestellte Fragen
Muss ich einen angebotenen Abwicklungsvertrag unterschreiben?
Nein, Sie sind nicht verpflichtet, einen Abwicklungsvertrag zu unterschreiben. Es handelt sich um ein freiwilliges Angebot des Arbeitgebers, das Sie annehmen oder ablehnen können.
Kann ich einen bereits unterschriebenen Abwicklungsvertrag noch widerrufen?
Grundsätzlich nicht. Anders als bei Verbraucherverträgen gibt es bei Abwicklungsverträgen kein gesetzliches Widerrufsrecht. Eine Anfechtung ist nur bei besonderen Umständen wie Täuschung oder Drohung möglich.
Wie lange sollte ich mir Bedenkzeit für die Entscheidung nehmen?
Mindestens eine Woche, besser zwei Wochen sollten Sie sich Zeit nehmen. Bei komplexen Sachverhalten oder hohen Abfindungssummen kann auch eine längere Bedenkzeit angemessen sein.
Führt ein Abwicklungsvertrag zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld?
Nicht automatisch. Wenn die Abfindung angemessen ist und ein wichtiger Grund für die Beendigung vorliegt, verhängt die Bundesagentur für Arbeit normalerweise keine Sperrzeit.
Wie hoch sollte eine angemessene Abfindung sein?
Das hängt von vielen Faktoren ab: Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Position, Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage. Als Orientierung bei Verhandlungen wird häufig eine Abfindung zwischen einem halben und einem ganzen Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr genannt. Rechtlich verbindlich ist jedoch nur die Regelung des § 1a KSchG in speziellen Fällen einer betriebsbedingten Kündigung mit Abfindungsangebot und Klageverzicht.
Kann ich nach Ablehnung des Abwicklungsvertrags noch Kündigungsschutzklage erheben?
Ja, sofern die Dreiwochenfrist noch nicht abgelaufen ist. Die Klage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eingereicht werden.
Was passiert, wenn ich den Abwicklungsvertrag ablehne?
Die ursprünglich ausgesprochene Kündigung bleibt bestehen. Sie können prüfen, ob eine Kündigungsschutzklage sinnvoll ist oder Nachverhandlungen führen.
Muss der Arbeitgeber bessere Konditionen anbieten, wenn ich nachverhandle?
Nein, er ist dazu nicht verpflichtet. Wenn Sie gute Argumente haben (z.B. rechtlich angreifbare Kündigung), sind Verbesserungen aber oft möglich.
Kann ich nur einzelne Punkte des Abwicklungsvertrags ablehnen?
Ja, Sie können Änderungsvorschläge machen und einzelne Punkte nachverhandeln. Der Arbeitgeber kann dann entscheiden, ob er den geänderten Vertrag akzeptiert.
Welche Unterlagen brauche ich für die Prüfung des Abwicklungsvertrags?
Arbeitsvertrag, Kündigungsschreiben, aktuelle Gehaltsabrechnung, Überstundennachweise und alle sonstigen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen sollten vorliegen.
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